Maria Maienkönigin
Warum verehren wir die Gottesmutter besonders im Monat Mai?
Wir rüsten uns zum 1. Mai, denn wir wissen, wen es da zu feiern gilt. In einem alten Kirchenlied heisst es:
Sing und sage alle Tage
Lob der Himmelskönigin!
Ja, so machen es die guten Kinder, sie grüssen Tag für Tag ihre himmlische Mutter. Dreimal werden wir da gemahnt durch das Aveläuten; wir wollen es nie überhören. Auf dem Lande kommt es nicht vor, dass man es überhört, in der Stadt ist das schwieriger. Wir wollen an dem alten kirchlichen Brauch festhalten, die Gottesmutter dreimal täglich grüssen. Aber die eifrigen Kinder begnügen sich damit nicht, sie halten einen Tag in jeder Woche: der Samstag ist der Gottesmutter durch die Kirche geweiht.
Seit über 100 Jahren herrscht auch die Übung, der Gottesmutter den ganzen Monat Mai zu weihen. Die Maiandachten haben die Welt erobert, sie gehören zu den populärsten, zu den volkstümlichsten Andachten. Es ist begreiflich! Gibt es etwas Tröstlicheres oder Erhebenderes als das Bild der Gottesmutter, das Jesuskind auf dem Arm, umgeben von einem Wald von Blumen, umstrahlt von einem Lichtermeer, dichtgedrängt die Menschen zu ihren Füßen, ihr entgegenjauchzend:
Maria Maienkönigin,
dich will der Mai begrüßen.
O segne seinen Anbeginn
und uns zu deinen Füßen!
Warum verehren wir die Gottesmutter besonders im Monat Mai?
Das Frühjahr ist zweifellos die schönste Jahreszeit. In unserer deutschen Heimat wird ja der Mai der Wonnemonat genannt. In neuer Pracht erscheint die Sonne am Himmel, neues Leben weckt sie überall, jetzt grünt´s, sprosst´s, treibt´s und blüht´s, überall herrscht neues Leben. Jetzt kommen die Blümelein heraus und heben ihre Köpfchen der Sonne entgegen, von der alles Leben kommt. Die Vöglein stimmen ihre schönsten Lieder an, die ganze Natur prangt im schönsten Blütenschmuck, alles neigt sich der Königin des Frühlings, der Sonne, zu.
Wir legen das Frühjahr einer schöneren und erhabeneren Königin, als die Sonne es ist, der Maienkönigin zu Füßen, und da sind es Worte der Heiligen Schrift, welche der Bräutigam der Braut im Hohen Lied zuruft und welche die Kirche auf die Gottesmutter anwendet:
Vorüber ist die Winterzeit;
der Regen ist vorbei.
Auf, meine Freundin, komme!
In diesem Sinn ist die Maiandacht der Kirche aufzufassen. Das Volk drückt sie anders aus:
Maria, dir befehlen wir,
was grünt und blüht auf Erden.
O lass es eine Himmelszier
in Gottes Garten werden.
Das ganze Frühjahr mit all dem Schönen und Lieben und Herrlichen soll vor der Gottesmutter niedergelegt werden, um ihr zu huldigen.
Es ist wahr, schön ist der Mai im Reiche der Natur; noch schöner ist er im Reiche der Gnade. Im Mai feiern wir eine Reihe herrlicher Feste! Da tönt noch hinüber das Alleluja der Osterzeit. Jetzt hat der Priester das Alleluja noch täglich auf den Lippen, das passt so recht für den Monat Mai. Da kommt das Himmelfahrtsfest christlicher Hoffnung, ein grosses Fest des Trostes. Das Pfingstfest, das Fest der Liebe, wo auch aufgeht das Menschenherz. Da fragen wir uns: Wem verdanken wir die Feste? Nächst Gott der allerseligsten Jungfrau Maria, die uns den Urquell aller Feste, den lieben Heiland, geschenkt hat. Sie ist die Ursache all dieser Festesfreude. Darum ist es unsere Pflicht, in diesem Monat in besonderer Weise der Gottesmutter zu gedenken.
Wir dürfen nicht vergessen, dass die Muttergottes im Frühjahr der Kirche, in der jungen Christengemeinde, den Aposteln Stütze, Trost und Halt gewesen ist. Und darum gebührt es, dass wir gerade im Monat Mai, im Frühjahr, derer gedenken, die so viel getan hat im Frühling der Kirche.
Der Monat Mai erinnert uns aber auch durch seine Anmut an die Schönheit Mariens. Der Monat Mai mit seinem Blütenschmuck ist ein wunderbares Erinnerungszeichen an die Schönheit Mariens. Und die Fruchtbarkeit des Monats Mai, wo alles knospt und treibt in der Natur, erinnert uns an die Tugenden. So ist es ganz begreiflich, dass wir den Monat Mai der besonderen Verehrung Mariens geweiht haben.
Freilich, im Frühjahr kommen auch manche Stürme, wir haben´s auch schon gemerkt. Da brausen die Stürme, und es kommen auch kalte Nächte, und das hat schon mancher Wurzel und mancher Blüte schwer geschadet. So gibt´s auch in der Menschenseele Stürme, auch da gibt´s Fröste, böse Tage und Stunden. Es ist gut, wenn wir die Gottesmutter bitten, dass sie unser Seelengärtlein mit ihrem mütterlichen Schutze umfriedet.
Wie wollen wir den Monat Mai feiern? Wir sollen die Maiandachten besuchen, soweit wir es mit unseren Berufsarbeiten vereinbaren können.
Dann ist es notwendig, dass wir die Tugenden Mariens nachahmen. Wir werden dazu angeregt durch vieles, was wir lesen und hören in diesen Tagen. Was kann es Schöneres geben, als immer mehr einzudringen in die Vorzüge Mariens, sich immer klarer zu werden! Dazu haben wir den Monat Mai. Wenn wir Gelegenheit haben, das Wort Gottes zu hören, versäumen wir es nicht! Und wenn wir nur aus jeder Predigt eine kleine Anregung mitnehmen, wenn uns das Bild Mariens nur etwas klarer wird - es ist viel gewonnen. Betrachtend wollen wir den Rosenkranz beten. Gerade im Monat Mai sollen wir es fertig bringen, täglich mindestens ein Gesetzlein zu beten und uns zu erinnern an die wunderbaren Geheimnisse Mariens.
Aber dabei soll es nicht bleiben; nun heißt es auch die Tugenden üben, praktisch betätigen, was wir schätzen, lieben und verehren an der Gottesmutter. Das Seelengärtlein soll jetzt tadellos instand gehalten werden. In der Fastenzeit haben wir das Unkraut herausgerissen, so gut es ging, jetzt sieht es ganz manierlich aus; ein bisschen steckt ja immer noch drinnen. Vielleicht sieht man gar nichts, aber das ist doch auch kein schöner Garten, in dem man gar nichts sieht. O armselige Geschichte! Jetzt heißt es anpflanzen? Ich kenne mich so schlecht aus in Botanik, ja du liebe Zeit! Das Veilchen, das im Verborgenen blüht, das Veilchen der Demut. Das ist ein nettes Blümlein. Ich meine, das sollten wir alle haben. Die Lilie der Reinheit! Wie schön und prachtvoll ist diese Blume, wie eigenartig. Jetzt sehen wir sie wieder öfters auf unseren Altären. Und wie die anderen Blumen alle heißen! Geduld, wenn´s Herz auch bricht! Ergeben in Gottes Willen! "Siehe, ich bin eine Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort." Ein Rosenstöckchen müssen wir in unser Gärtchen auch hineinbringen, ohne das geht´s nicht. Aber soviel ich schon gehört habe, soll das gar nicht einfach sein, ein Rosenstöckchen durchzubringen. Die Liebe zu Gott und zum Nebenmenschen!
Wie wäre es, wenn wir jeden Tag daran arbeiten würden, eine Tugend auf die Beine zu bringen? Das gibt einen Blumenstrauß am Ende des Monats, so groß und so schön, dass unsere himmlische Mutter eine helle Freude daran hat. Im Monat Mai geht´s tadellos, denn der Monat Mai ist ein Gnadenmonat, da thront die Himmelskönigin auf dem Maialtar als ihrem Gnadenthron und freigebig teilt sie die Gnaden aus. Wir wissen, dass es zur Zeit des Königstums besondere Ehrentage gegeben hat, und das waren Gnadentage. Da haben sich die Gefangenen lange darauf gefreut, wenn der König Namenstag gehabt hat. An einem solchen wurden Strafen erlassen und die Freiheit geschenkt. So ist es bei der Gottesmutter ähnlich, deshalb dürfen wir den Mut nicht verlieren.
Wenn wir der Muttergottes eine besondere Freude machen wollen, dann führen wir ihr neue Kinder zu. Seien wir apostolisch tätig gerade im Monat Mai, der Königin der Apostel zulieb. Das können wir machen durch recht gutes Beispiel, durch unsere Gebete, vielleicht auch durch ein gutes Wort. Achten wir darauf: Da treffen wir manche Menschen, die sind Doppelwaisen, die haben die Kirche als Mutter verloren und auch die Gottesmutter. Es wäre schön, wenn wir die der Kirche und der Muttergottes zurückführen könnten.
(Aus: "Mein Kreuz will ich tragen", Rupert Mayer)